Thorsten: Wann wurde Dir bewusst, dass Du überfordert warst?
David: Das war, als wir ungefähr 25 bis 30 Mitarbeiter hatten. Ich war stark in die Auswahl der Mitarbeiter involviert und habe bemerkt, dass ich nicht mehr alles schaffen konnte. Irgendwann hat mir mein Mitgründer gesagt, dass ich eine Pause brauche.
Thorsten: Wie hast Du den Ausstieg aus dem Unternehmen besprochen?
David: Es war komplex. Es gab unterschiedliche Interessen der Gesellschafter, und wir brauchten eine Weile, um eine Lösung zu finden. Ein Anwalt empfahl mir, einen Klinikaufenthalt in Betracht zu ziehen.
Thorsten: Wie war Dein Aufenthalt in der psychosomatischen Klinik?
David: Anfangs war ich zögerlich, aber nach ein paar Tagen fand ich die Auszeit sehr positiv. Ich konnte Therapie und Aktivitäten in der Natur kombinieren, was mir sehr geholfen hat.
Thorsten: Du hast Deine Erfahrungen später öffentlich geteilt. Wie waren die Reaktionen?
David: Überraschend positiv. Viele Unternehmer haben mir geschrieben und ihre Unterstützung ausgedrückt. Es hat mich ermutigt, offen über solche Probleme zu sprechen.
Thorsten: Was hast Du über die Arbeitskultur reflektiert?
David: Ich hinterfragte die Vorstellung, dass Unternehmertum immer mit hohem Arbeitsstress einhergehen muss. Meistens ist anhaltender Stress auf eigene Fehlentscheidungen zurückzuführen. Man sollte aktiv nach Lösungen suchen.
Thorsten: Ihr wart das einzige Unternehmen in einem Programm von sieben, das keine Auszeichnung erhielt. Woran lag das?
David: Die Pitches waren auf Englisch und unsere Idee wurde oft nicht verstanden. Unser Erfolg kam durch harte Arbeit und lange Arbeitszeiten.
Thorsten: Die hohe Arbeitsbelastung führte zu gesundheitlichen Problemen. Was war der Höhepunkt?
David: Eine Panikattacke führte zu einem Nervenzusammenbruch und Suizidgedanken. Das war ein Weckruf, meine Arbeitsweise zu ändern und Maßnahmen zur Verbesserung meiner Gesundheit einzuleiten.
Thorsten: Du hast gesagt, dass Du anderen Unternehmern helfen möchtest, Probleme zu vermeiden. Wie machst Du das?
David: Ich arbeite am liebsten mit Unternehmen, die zwischen 5 und 50 Mitarbeitende haben. Oft entstehen Probleme, wenn Unternehmen die Schwelle von 10 bis 20 Mitarbeitenden erreichen. Ich biete Beratung zu effizienten Prozessen und Führung.
Thorsten: Kannst Du ein Beispiel nennen, wie Du jemandem helfen konntest?
David: Ein Klient war frustriert, aber nach einer einstündigen Sitzung konnte er die Situation viel positiver sehen und war wieder motiviert.
Thorsten: Ein inspirierendes Buch für Dich war "Slow Productivity" von Cal Newport. Warum?
David: Es bietet wissenschaftliche und praxisnahe Erkenntnisse. Es hat meinen Blick auf Arbeit und Produktivität verändert und mir gezeigt, dass Unternehmertum auch leichter sein darf.
Thorsten: Du hast über die Wichtigkeit der Zeithoheit gesprochen. Was bedeutet das für Dich?
David: Zeithoheit ermöglicht Freiheit. Wir sollten flexibel bleiben und Zeit für spontane Aktivitäten wie Wandern oder Kitesurfen haben.
Thorsten: Welche Veränderungen hast Du vorgenommen nach Deinem Klinikaufenthalt?
David: Ich habe gelernt, weniger effizient und mehr im Moment zu leben. Ursprüngliche Pläne habe ich überdenken müssen. Die Reisen und neuen Erfahrungen waren Teil des Heilungsprozesses.
Thorsten: Wie hat sich Dein Wohlbefinden verändert?
David: In Berlin schlief ich schlechter und fühlte mich unzufriedener. Deshalb zog ich nach Bayern, in eine ruhigere Umgebung. Spaziergänge und Saunabesuche haben mein Leben bereichert.
Thorsten: Siehst Du Dich aktuell als Solopreneur?
David: Ja, momentan arbeite ich alleine. Ich bin als Sparringspartner für andere Unternehmer tätig, um ihnen zu helfen, nicht in dieselben Fallen zu tappen.
Thorsten: Was würdest Du aufgrund Deiner bisherigen Erfahrungen anderen Unternehmern raten?
David: Achte auf die Balance zwischen Arbeit und Privatleben. Es ist möglich, erfolgreich zu sein, ohne sich ständig zu überarbeiten. Änderungen erfordern Zeit, oft mindestens sechs Monate.
Thorsten: Welchen Einfluss hatte die Corona-Krise auf Dein Unternehmen?
David: Eine geplante Finanzierungsrunde platzte, und wir mussten Aktivitäten reduzieren. Kurzarbeit und Digitalisierung des Studienkredits mit KfW halfen uns, eine Notfinanzierung zu schaffen.
Thorsten: Welche Rolle spielt die Natur für Dein persönliches Wohlbefinden?
David: Naturerlebnisse sind essentiell. Dinge wie Barfußlaufen oder Baumumarmungen helfen mir. Auch kleine Veränderungen wie häufiger Aufenthalt im Park oder am Küstenwald machen einen Unterschied.
Thorsten: Du hast erwähnt, dass Freiheit für Dich zentral ist. Wie definierst Du Freiheit?
David: Freiheit bedeutet für mich, ohne Zwänge Entscheidungen treffen zu können. Es ist der Schlüssel zu einem glücklichen und erfüllten Leben.